Die Mitte 

 

 

 

Es war einmal ein König.

Dieser König besaß Land.

Sein Land war groß.

Sein Land war so unermesslich groß,

dass er sich in seinem Reich verirrt hatte.

 

Da besann er sich

auf sein Königsein.

Er stellte sich genau an den Ort,

an dem er sich gerade befand,

und sprach:

 

„Ich bin der König.

Und genau hier,

wo ich mich jetzt befinde,  

ist die Mitte.

Ich selbst bin die Mitte.

Ich selbst bin die Mitte meines Landes!“

 

Er machte einen Schritt nach vorn,

blieb stehen und stellte fest:

 

„Hier ist die Mitte meines Landes,

denn ich bin die Mitte!“

 

Er machte erst einen Schritt zur einen Seite

und dann zur anderen Seite

und stellte wiederum fest:

 

„Hier ist die Mitte,

denn ich bin hier.

Und ich bin die Mitte!“

 

Er trat einen Schritt zurück

und stand wieder in der Mitte seines Reiches.

Er erkannte:

 

„Wo immer ich gehe

und wo immer ich stehe,

befindet sich die Mitte,

denn ich selbst bin die Mitte!“

 

Nun machte er sich auf den Weg,

um sein Reich zu erkunden.

Dabei stellte er fest,

dass nichts seine Schritte bremste.

Er konnte gehen, wohin er wollte,

nach vorn oder nach hinten,

nach links oder nach rechts.

Doch niemals stieß er auf eine Grenze,

denn er befand sich immer

in der Mitte seines Reiches.

 

Nicht nur,

dass er keine Grenzen fand,

er fand auch nichts anderes.

Wohin er auch ging,

niemals stieß er auf ein Gegenüber.

Wohin er auch ging,

ging nur er selbst.

Und wohin er auch ging,

befand sich nichts außer ihm.

 

Es gab kein Land

neben ihm.

Es gab kein Land

vor ihm oder hinter ihm.

Er selbst war das Land.

Sein Land war so groß

wie er selbst.

 

Wenn er sich bewegte und ging,

hatte er den Eindruck,

sein Land sei unendlich groß,

da seinem Gehen

keine Grenzen gesetzt waren.

Blieb er aber stehen,

so war sein Reich genau hier.

Doch „hier“ war kein Ort.

Er war wohl das Land

und er war tatsächlich vorhanden,

doch er war kein Ort.

 

Er war das HIER!

 

Nun konnte er

nicht mehr in die Irre gehen

und er bezeugte vor sich Selbst:

 

„ICH bin das HIER!“

 

 

 

Kajo, 1.1.20