Geschichten und Parabeln
1. Der Juwel
2. Im Garten
Ja, so ist es: ICH BIN!
Immer schon war ICH gewesen, hatte aber nichts von Mir gewusst. Als ICH jedoch vor Mir bezeugte, dass ICH bin, fand ICH Mich in einem Garten wieder. Dieser Garten war nicht von Mir verschieden. Dieser Garten war Mein Sein. Er war Mein Anwesendsein und Mein Gegenwärtigsein. Der Garten spiegelte Mir Mich Selbst, und so erkannte ICH in diesem Garten Mich Selbst.
Jetzt weiß ICH um Mich! Mir Meiner Selbst gewiss bin ICH nun selig vor Glück!
Nein, so war das nicht!
Neulich schlenderte ich durch einen paradiesisch anmutenden Garten. Mir war, als könnte Gott hier zuhause sein.
Ich fragte mich, ob Gott etwas von sich wissen kann. Da nichts neben dem göttlichen EINEN existiert - so überlegte ich - , kann es nicht dazu in der Lage sein, sich an etwas Anderem zu reflektieren. Muss das göttliche EINE demnach nicht sich selbst bezeugen? Kann das EINE nicht nur dann wissen, dass es existiert, wenn es sich selbst bezeugt?
Ich erkannte, dass ich grundlegendes Wissen über Gott erlangt hatte. Ich verleibte mir meine Erkenntnis als objektives Wissen ein. Gott war also ein Objekt meiner Erkenntnis, und ich war der Wissende. Demnach war ich von Gott verschieden und von Ihm getrennt!
Augenblicklich war der Garten verschwunden.
Nun sitze ich auf diesem gottverlassenen Flecken Erde
und wünsche mich in jenen Garten zurück!
3. Der Flötenspieler
Neulich unternahm ich einen Waldspaziergang. Dabei geriet
ich auf einen Weg, der sich allmählich im Dickicht verlor.
Als ich für einen Moment ratlos im Wald stand, drangen plötzlich
helle Flötentöne an mein Ohr. Das gefühlvolle und virtuos
improvisierte Spiel berührte mich in meinem Innersten.
So deutlich, wie ich die Musik hörte, konnte der Flötenspieler
nicht weit von mir entfernt sein. Ich ging den Klängen nach und
bahnte mir einen Weg durch das dichte Unterholz, bis sich vor
mir eine kleine Lichtung auftat.
Mitten auf der Lichtung saß von der Sonne beschienen ein Mann,
der völlig in sein inbrünstiges Flötenspiel versunken war.
Offenbar schien der Flötenspieler aber doch meine Nähe zu spüren.
Er blickte auf und lud mich mit einer freundlichen Geste ein,
näher zu kommen.
Ich ging also zu ihm hin und bekundete, wie gut mir sein Spiel gefiel,
und wie sehr mich sein Können beeindruckte.
Der Flötenspieler zeigte mir sein Instrument
und wies auf die Öffnungen im Rohr der Flöte.
„Durch diese Öffnungen“, so sprach er mich an,
„strömt der Atem Gottes. Nicht ich bin es,
der diese Flöte spielt, Gott selbst ist der Spieler.
Ich stelle mich ihm nur zur Verfügung!
Bist Du Dir darüber im klaren, dass jeder Mensch
eine Flöte in der Hand Gottes ist, also auch Du?
Gott offenbart Sich, indem Er Flöte spielt!
Lausche nun auf die Töne, die jetzt erklingen:
...
Mit diesem ersten Ton bezeugt Gott Seine eigene Existenz.
Er tut kund, dass Er hier ist.
Am Anfang war das Wort, und dieses Wort schwingt als Klang.
Die Inder nennen diesen Ton „OM“, die Sufis rufen „HU“.
Dieser 1. Ton ist der Beweis: Gott ist hier, gerade jetzt!
Als „OM“ oder „HU“ ruft Gott Selbst: „Ja, ICH bin! ICH bin,
der ICH bin!“
„HU!“
Lausche nun dem zweiten Ton:
...
Wenn der zweite Ton erklingt, so heißt das: „Jetzt, da ICH
als Subjekt die Gewissheit habe, dass ICH objektiv existiere,
erkenne ICH Mich Selbst. ICH, das göttliche Eine, nehme
ausnahmslos Mich Selbst wahr. ICH schaue in allem Mich
Selbst!“
Jetzt erklingt der dritte Ton:
...
Um Sich Selbst wahrnehmen zu können, zeigt Sich Gott.
Er tritt in Erscheinung, indem Er diesen dritten Ton anspielt.
Gott zeigt Sich unvermittelt, unumwunden und unverstellt in
aller Aufrichtigkeit, ohne etwas zu verbergen.
Er zeigt Sich unmittelbar jetzt!
Höre nun auf den vierten Ton:
...
Alles, was in Erscheinung tritt, benötigt Raum, um sich zeigen
zu können. Doch um das göttliche Eine herum befindet sich
kein Raum, denn neben dem Einen existiert nichts, also auch
kein Raum.
Mit dem vierten Ton öffnet Gott deshalb Sein Herz. Gott weitet
sein Herz ins Unendliche. Er dehnt Sein Herz so weit aus, dass
alles, was sich zeigt, in ihm Platz findet. Gott liebt bedingungslos!
Nun folgt der fünfte Ton:
...
Damit das Herz nicht dunkel bleibt, und alles, was sich zeigt,
auch sichtbar wird, spielt Gott den fünften Ton an.
Der 5. Ton besteht aus Licht. Dieses Licht erstrahlt,
wenn Gott Sich unbeirrbar zu Eigenschaften bekennt,
die sich voneinander unterscheiden.Jede Eigenschaft aber
leuchtet in einem besonderen, ihr eigenen Licht.
Höre wie Gott spricht: „Gerade jetzt bin ICH genau so!“
Lausche jetzt dem sechsten Ton:
...
Mit diesem sechsten Ton nimmt gemäß dem Willen Gottes
alles Form an, was sich zeigt. Die Schöpfung kann nur dann
sichtbar werden, wenn sie Gestalt annimmt, und sich das Licht
an Formen brechen kann!
Da die Ewigkeit jedoch dem göttlichen Einen vorbehalten ist,
verändern sich alle Formen unablässig. Sie befinden sich
kontinuierlich im Fluss des Geschehens und fließen ständig
ineinander über.
Höre, wie jetzt der siebte Ton erklingt:
...
Erst mit dem siebten Ton wird die Schöpfung konkret und als
wirkliche Welt offenbar.
Was aber verleiht der Welt Bestand? Und wer lebt in dieser
Welt? Das Eine und Einzige ist es, nur das göttliche Eine.
Das Eine belebt mit Seinem ewigen Leben alles Vergängliche.
Nur weil das Ewige in allen vergänglichen Formen lebt und sie
mit Seiner Gegenwart durchdringt, scheint die Welt Bestand zu
haben!
Kein Ton aber erklingt für sich allein. Im Spiel Gottes hat
jeder Ton seinen Platz und seine Bedeutung.
Und der Zusammenklang aller Töne ergibt die schönsten Melodien,
ohne dass sie sich je wiederholen würden!
Wenn Gott allein auf mir Seine Flöte spielt, offenbart sich die
wahre Welt, so wie sie von Gott gerade jetzt erschaffen wird.
Und ich befinde mich im Paradies!
Drängt ein Spieler der Flöte aber sein eigenes Spiel auf,
erliegt er der Täuschung. Er macht sich Illusionen,
da er Gott zurückweist und sich so von der Wahrheit trennt.
Vor seinen Augen erscheint dann eine illusionäre Welt
regiert von Lug und Trug.“
Beeindruckt von den Erläuterungen des Flötenspielers
ließ ich seine Worte tief in mich einsinken.
Ich nahm mir vor,bei Gelegenheit zu überprüfen,
welche Rolle Gott in meinem Leben spielt.
Der Flötenspieler aber riss mich aus meinen Gedanken
und sprach:
„Alles, was Du von mir wahrnimmst, habe ich Gott überlassen.
Alles, was hier von mir in Erscheinung tritt, gehört jetzt Gott,
dem Einen!“
Er erhob sich und rief: „Nun setze Du Dich auf meinen Platz
und lausche, wie Gott auf Dir Flöte spielt!“
Ich kam seiner Aufforderung nach und setzte mich nun selbst
mitten auf der Lichtung in die Sonne. Kaum berührte ich mit
der Flöte meine Lippen, erklang augenblicklich der erste Ton.
Ich war hier! Doch nicht ich als der Mensch, für den ich mich
bisher gehalten hatte, war hier. Alles, was ich als Mensch war,
war die Flöte: die schwingende und klingende Flöte.
Und Gott spielte nach Herzenslust auf mir. Doch Gott war kein
Anderer.
Mir wurde klar: Gott ist in mir und durch mich
als BEWUSSTSEIN lebendig. Auch „ich“ bin nichts Anderes,
denn ich bin identisch mit diesem BEWUSSTSEIN.
GOTT bezeugt Sich Selbst und spielt als ICH!
4. LICHT!
Plötzlich war er da: ein Engel in seiner erhabenen Schönheit und mit seinem alles überstrahlenden Glanz. Wo aber befand er sich? Ich konnte ihn nicht wirklich sehen.
Stand er vor mir? Umgab er mich? Oder offenbarte er sich in meinem Innern?
Er sprach zu mir: „Meine Aufgabe ist es, dir zu zeigen, wer du bist. Bist du bereit,
dich selbst zu erkennen?“
„Ja!“ rief ich ohne zu zögern. „Es ist mein sehnlichster Wunsch, herauszufinden,
wer ich in Wahrheit bin!“
Daraufhin führte mich der Engel durch viele verschiedene Welten, die gleichsam
faszinierend schön und erschreckend widerwärtig waren. Über diese Welten
gäbe es vieles zu erzählen, doch allen war eines gemeinsam: sie waren vergänglich.
Sie tauchten auf, zeigten sich und verschwanden wieder im Nichts, so wie sie
gekommen waren.
Der Engel selbst jedoch war nie von mir gewichen. War er denn das einzig Beständige
neben den unzähligen Phänomenen, die mir begegnet waren?
Der Engel aber sprach: „Erkennst du jetzt den Unterschied zwischen der Erscheinungswelt
mit ihren vielen Facetten und dir? Ich habe dir die Vergänglichkeit aller Welten
vor Augen geführt. Bist du ein Teil dieser vergänglichen Welt, oder bist du ihr Betrachter?
Bist du beständig der Zeuge aller Vorgänge, oder wirst du vom Geschehen mitgerissen?
Sieh die Welt mit meinen Augen!“
Alles glänzte. Es gab nichts, was nicht glänzte! In diesem unbeschreiblichen Glanz
kamen und gingen die Welten. Nur Pracht war vorhanden. Sie umfasste und durchdrang
alle Welten, so wie sie erschienen und wieder vergingen.
Selig von diesem Glanz und erfüllt von dieser Pracht wollte ich mich an den Engel wenden.
Doch hier war kein Engel!
Es gab nur LICHT. Nichts Anderes. Nur LICHT!
Anfangsloses LICHT. LICHT ohne Ursache.
Aus sich selbst heraus leuchtendes LICHT!
„Und ich?“ So fragte ich mich.
„Einzig dieses LICHT ist vorhanden.
Wer also bin in Wahrheit ich?“
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