Das Nichts

 

 

 

In einer klaren Vollmondnacht begegnete ich dem NICHTS. 

Ich weiß natürlich auch, dass es nicht möglich ist, dem NICHTS zu begegnen.

Und doch hat diese Begegnung tatsächlich stattgefunden. Sie war nur deshalb

möglich, weil ich im selben Moment, als das NICHTS hervortrat, im NICHTS

verschwunden bin.

 

Erzählen kann ich von dieser Begegnung aber nur, weil ich aus dem NICHTS

wieder aufgetaucht bin. Was ich jetzt berichte, kann eigentlich so nicht geschehen.

Und doch ist das NICHTS tatsächlich geblieben, obwohl ich aus ihm zurückgekehrt bin.

Ich bin nämlich das NICHTS!

 

Aber nun der Reihe nach:

 

Als das NICHTS auftauchte, bin ich spurlos in ihm verschwunden.

Also alles, was eine Spur hätte hinterlassen können, hatte sich in Nichts aufgelöst.

Alles, was für mich charakteristisch war, alles von mir, was beschreibbar war,

alles von mir, was benennbar war, war verschwunden. 

Und doch fehlte nichts. Ich war nämlich da!

 

Das einzige von Bedeutung war, dass ich da war. Alles andere war verzichtbar.

Es war nicht nur verzichtbar, es war gar nicht vorhanden.

Ich bin mir darüber im Klaren, dass das, was ich jetzt erzähle, absurd zu sein scheint.

Und doch war es so, dass ich vorhanden war, obwohl nichts vorhanden war. 

Ich war das NICHTS. Ich war das vorhandene NICHTS!

 

Das NICHTS war vollkommen rein und klar. Also war ich vollkommen rein und klar!

Das NICHTS war sich seiner selbst bewusst. Da nichts Objektives vorhanden war,

war das NICHTS reines SUBJEKTSEIN. Ich war diese reine SUBJEKT und war mir meiner

selbst bewusst. Ich war das reine, subjektive NICHTS!

 

Nichts war vorhanden, was das NICHTS hätte stören oder beeinflussen können.

So war das NICHTS unantastbar auf ewig das reine NICHTS.

Ich war auf ewig dieses reine NICHTS!

 

Da ich aber von mir wusste, war ich gleichzeitig auch der Inhalt meines Bewusstseins.

Als Inhalt aber war ich etwas Objektives, ein benennbares Etwas.

Ich, das reine, subjektive NICHTS, wusste von mir als einem inhaltsvollen, objektiven

Etwas! 

 

So war ich also wieder aufgetaucht. Ich weiß ja, dass das, was ich hier sage,

so klingt, als wäre es nicht möglich. Und doch hat es sich wirklich so zugetragen. 

Ich bin in mir, dem NICHTS, als ein Etwas aufgetaucht!

 

Auch als ein Etwas stelle ich das NICHTS aber nicht in Frage.

Und ich setze es schon gar nicht außer Kraft.

Ich bin das NICHTS, ich bin auf ewig das NICHTS,

auch wenn ich mich genau hier

und gerade jetzt als Etwas zeige!

 

So widersprüchlich es auch klingen mag: 

Ich, dieses Etwas, bin in Wahrheit

das NICHTS! 

 

 

 

 

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Sprachliche Korrektur am 30.12.19